Tim Geelhar:

Karolingische Christianitas – Historisch-semantische Beobachtungen zur Politisierung eines Wortgebrauchs in Spätantike und Karolingerzeit

Die Studie untersucht den postulierten Umsemantisierungsprozess des Wortes christianitas zu einem zentralen Konzept des mittelalterlichen Europas in der Karolingerzeit aus historisch-semantischer Perspektive. Eine Auswertung der großen digitalisierten Quellencorpora – Patrologia Latina, Latin Library of Texts, Monumenta Germaniae Historica – soll klären, wie und in welchen Situationen christianitas gebraucht wurde und welche Grundorientierungen und Ordnungsvorstellungen darin zum Ausdruck kommen. Die gewählte Methode ermöglicht es, ohne Vorannahmen aus der klassischen Ideen- und Begriffsgeschichte zu operieren, die in der Gefahr stehen, den Blick auf die mittelalterliche Praxis zu verstellen. Es geht nicht darum, das Entstehen der christianitas als Christenheit zu dokumentieren, sondern vielmehr nach welchen gesellschaftlichen Bedürfnissen ein spezifischer Sprachgebrauch ausgerichtet, aktualisiert und umgeschrieben wurde, um damit letztlich auf die beschriebene Welt zurückzuwirken. Wie wurde der Sprachgebrauch der christianitas politisiert? Lässt sich daraus ableiten, dass das Konzept Christenheit von den Zeitgenossen als christianitas bezeichnet wurde? Antworten hierauf werden für bereits behandelte Umsemantisierungsprozesse der christianitas in Hoch- und Spätmittelalter relevant sein. Letztlich lässt sich so klären, ob es für die Forschung angebracht ist, die mittelalterliche Christenheit als christianitas zu bezeichnen und sie als Vorläuferin Europas im Sinne eines nationenübergreifenden großen Ganzen zu präsentieren.