Strukturwandel der Anerkennung im 21. Jahrhundert.
Geschichtswissenschaftliches Teilprojekt
Förderer: VolkswagenStiftung

Projektbeginn: 01.03.2007

Bearbeiter: Christian Reuber, M. A.

ProjektbeschreibungEinordnung

Das von der VW-Stiftung finanzierte Projekt „Strukturwandel der Anerkennung im 21. Jahrhundert“ ist am Institut für Sozialforschung an der Goethe-Universität Frankfurt angesiedelt und hat seine Arbeit Anfang 2007 aufgenommen. Die Erforschung des Anerkennungsbegriffes, als Schlüsselbegriff unserer Zeit, soll hier historiographische, juristische, soziologische und philosophische Fragestellungen zusammenbringen. Dabei werden sich die insgesamt vier historischen Forschungsarbeiten im Gegensatz zur bisher in Frankfurt, besonders am Institut für Sozialforschung, geleisteten Anerkennungsforschung, jedoch nicht in die Tradition der kritischen Theorie stellen. Vielmehr soll der methodische Zuschnitt des geschichtswissenschaftlichen Teilprojekts zeigen, dass die Aneignung eines komplexen Anerkennungsbegriffs auch aus dem Inneren einer systemtheoretischen, auf das Verhältnis von Gesellschaftsstruktur und Semantik konzentrierten Perspektive heraus sinnvoll und historisch stichhaltig ist.

Erkenntnisinteresse, Fragestellung, Arbeitshypothesen

Neben den drei anderen historischen Teilprojekten soll mit dieser Arbeit versucht werden zu analysieren, wie sich die Rekrutierungsprozesse im Führungskräftebereich deutscher Großunternehmungen nach 1945 verändert haben. Welche Rekrutierungsmethoden/-muster setzten sich in deutschen Unternehmen durch, verdrängten oder ergänzten die bisherigen Methoden? Wo konnten sie sich nicht durchsetzen und warum? Wo gab es Widerstände und Hindernisse? Wie verliefen unternehmerische Wahrnehmungs-, Lern- und Entscheidungsprozesse? Welche Quellen, Informationskanäle und innerbetrieblichen Machtstrukturen spielten dabei eine Rolle? Wie sahen schließlich die betrieblichen Kommunikations-, Diskussions- und Entscheidungsstrukturen aus? Wie groß waren individuelle unternehmerische Entscheidungsspielräume, bzw. welche Rolle spielte das individuelle unternehmerische Engagement im Rahmen der Organisation ’Unternehmung’?

Nach der politisch gewollten, von den Unternehmen oft nur unfreiwillig akzeptierten internationalen Isolation während der Zeit des Nationalsozialismus, öffnete sich den deutschen Unternehmen nur wenige Jahre nach Kriegsende schon wieder die Möglichkeit, auf dem Weltmarkt tätig zu werden. Welchen Einfluß hatte die besonders in den 1950er Jahren stetig zunehmende, erneute internationale Verflechtung auf die Managementmethoden und damit auch auf die Führungskräfte-Entwicklung in deutschen Großunternehmen? Welche Defizite in der Unternehmensführung deutscher Konzerne mußten nach Meinung der damaligen Führungskräfte beseitigt werden, um sich am besten auf die geänderten Umweltbedingungen einzustellen? An welchen Vorbildern orientierte man sich und welche Bedeutung hatten in diesem Zusammenhang persönliche Kontakte und Erfahrungen von Managern? Gab es Einstellungs- und Wahrnehmungsunterschiede zwischen älteren und jüngeren Unternehmern, existierten also generationenspezifische Wahrnehmungsmuster, die sich auf die unternehmerischen Entscheidungen auswirkten?

Unbestreitbar ist auf jeden Fall der (sich stetig fortsetzende) deutliche Wandel innerhalb der bundesrepublikanischen Gesellschaft in den ersten zwanzig Jahren nach 1945. Zu großen Teilen den politischen und sozialen Veränderungen dieses Zeitraums geschuldet, ist er aber ebenso, wie Christian Kleinschmidt in seiner Untersuchung „Der produktive Blick“ schreibt, „zu einem nicht geringen, hier näher zu bestimmenden Teil aber auch (auf) (…) den Einfluß amerikanischer Unternehmen auf Wirtschaft und Gesellschaft (zurückzuführen), (…) der schließlich in eine deutsche ’Westbindung’ auch in ökonomischer Hinsicht mündete.“

Mit Hilfe des empirischen Materials soll versucht werden, den Wandel von Semantiken und Einstellungen in der Perzeption und Ausübung der Unternehmensführung, sowie die Veränderungen von Organisationsstrukturen, bzw. die Einführung neuer Institutionen und Managementmethoden zu belegen, um die Professionalisierung und Systematisierung der Personalplanung, -entwicklung und -auswahl im Führungskräftebereich deutscher Großunternehmen nach 1945 zu verdeutlichen.

Untersuchungszeitraum, Untersuchungsmethode, theoretische Grundlagen

Untersuchungsebene ist das Unternehmen; innerhalb des Unternehmens besonders die leitenden Akteure (Führungskräfte), einmal als Objekte der Führungskräfteentwicklung, einmal als handelnde Subjekte, d. h. als diejenigen, die für die Einführung einer systematischen und professionalisierten Führungskräfteentwicklung verantwortlich sind und darüber hinaus die Personalentscheidungen im Führungskräftebereich treffen.

Dabei wird von Unternehmen als „sozialen Systemen“ ausgegangen, die sich weniger als funktionale Organisationen sondern vielmehr als „offene sozi-technische Systeme“ darstellen, in denen Handlungen, Entscheidungen und Wahrnehmungen von Individuen unter den Bedingungen komplexer und veränderlicher Umwelten im Mittelpunkt stehen. Innerhalb der Organisation „Unternehmung“ richtet sich der Focus der Untersuchung dementsprechend auf die Führungsebene. Im weiteren Verlauf werde ich diesen Begriff (Führungsebene) mit Management bzw. Topmanagement gleichsetzen.

Als Institution und Kollektivakteur ist das Management in ein oberes, mittleres und unteres Management aufgeteilt. Da sich mein Hauptaugenmerk auf die Rekrutierungsprozesse von Führungskräften konzentriert, werde ich mich in meiner Untersuchung vorrangig mit dem oberen Management (Topmanagement) auseinandersetzen. Die mittlere und untere Managementebene wird dort berücksichtigt, wo es um die Umsetzung von Entscheidungen in den nach geordneten Instanzen geht.

Neben der Mikroebene - dem Unternehmen und seinen Akteuren als wesentlichstem Bestandteil der Analyse - werden noch zwei weitere Untersuchungsebenen in der Arbeit berücksichtigt. Einmal die interpersonellen Beziehungen zwischen den Führungskräften deutscher Großunternehmen, sprich, die Zusammenarbeit in Verbänden, Initiativen und Kontrollgremien anderer Unternehmen, bzw. die Verflechtungen mit Akteuren anderer „sozialer Systeme“ (Politik, Kultur, etc.), als Meso-Ebene, d. h. die organisationsübergreifenden Informations- und Kommunikationsstrukturen, die Netzwerke und Interdependenzgeflechte. Andererseits, als Makro-Ebene, die internationale politische, ökonomische und gesellschaftliche Entwicklung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, welche erst die Rahmenbedingungen markiert, die Einfluß auf die anderen beiden Ebenen haben.

Auf Grund dieser Untersuchungsebenen (Unternehmen, Akteure, Netzwerke und politisch-ökonomische Makroebene) bieten sich als Untersuchungsmethode einzelfallbezogene empirische Studien (auf der Basis verhaltenswissenschaftlicher Managementforschung bzw. der interpretativen Organisationstheorie) an, die plausible Verallgemeinerungen und Aussagen zum Unternehmer- bzw. Managerhandeln zulassen.

Leider wird sich die Arbeit auf eine relativ schmale Untersuchungsbasis von lediglich zwei Großkonzernen unterschiedlicher Branchen (Chemie, Automobil) stützen. Obwohl diese qualitativ-empirische Vorgehensweise sicherlich keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben kann, so ist doch zu hoffen, dass die Ergebnisse Rückschlüsse auf die Einführung von systematischen und professionalisierten Rekrutierungsprozessen in deutschen Großunternehmen zulassen.

Kontakt

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Historisches Seminar
Wirtschafts- und Sozialgeschichte
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