Christian Steppan

Akteure am fremden Hof. Herrscherrepräsentation und politische Kommunikation kaiserlicher Gesandter am russischen Hof (1721-1742)

Das zweite Viertel des 18. Jahrhunderts stellte die erste intensive Annäherungsphase zwischen den Höfen in Wien und St. Petersburg dar. Hatte Russland das europäische Politparkett nach seinen militärischen Erfolgen im Nordischen Krieg erstmals als Großmacht betreten, so manifestierte Peter I. diesen Aufstieg durch die Annahme des russischen Kaisertitels im Jahre 1721. Damit machte sich der „Allrussische Imperator“ nicht nur zu einem heftig umstrittenen Emporkömmling, sondern auch zu einem viel umworbenen Bündnispartner unter den europäischen Souveränen. Unter diesen machtpolitischen Rahmenbedingungen kam es im Zuge einer am ganzen Kontinent um sich greifenden Professionalisierung der Diplomatie auch zu einer Internationalisierung der höfischen Gesellschaft in den Machtzentren Moskau und St. Petersburg. So etablierte auch der Kaiser erstmals eine „ständige Vertretung“ in Russland durch hochrangige Botschafter, die nach anfänglichen diplomatischen Spannungen wegen des russischen Kaisertitels im Jahre 1726 ein auf ähnlichen außenpolitischen Interessen begründetes Bündnis einrichten konnten. Dieses sollte bis 1742 als Konstante in einem um das Gleichgewicht der Kräfte bemühten europäischen Großmächtesystem bestehen.

In der geplanten Dissertation soll ein Blick hinter die Kulissen dieser, von der traditionellen Historiographie ausführlich behandelten ereignisgeschichtlichen Hauptentwicklungslinien geworfen werden. In Anknüpfung an aktuelle Forschungsperspektiven der neuen Diplomatiegeschichte treten Fragen nach der Herrscherrepräsentation und den Kommunikationsstrategien der kaiserlichen Gesandten in den Vordergrund. Dabei wird den Diplomaten in ihrer Funktion als Akteure und Stellvertreter des Kaisers am fremden Hof besondere Aufmerksamkeit geschenkt, wodurch bislang unbeachtete Facetten des frühneuzeitlichen Gesandtschaftswesens und die darüber stattfindenden Diskurse auf den unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen zum Vorschein kommen sollen. Als unabdingbare Wissensbasis für die Beantwortung der genannten Fragen dienen die damals gültigen völkerrechtlichen Bestimmungen, die die zwischenstaatlichen Beziehungen bis ins kleinste Detail regelten. Neben naheliegenden Vorgaben – wie den internationalen Richtlinien in Zeiten des Krieges oder bei der Herstellung des Friedens – beinhalteten diese auch Verhaltensnormen für das Auftreten der Herrscherrepräsentanten am diplomatischen Parkett. Eingebettet in diesen allgemeingültigen Hintergrund, werden die tatsächlichen Ausformungen dieses Regelwerks im konkreten Falle der (symbolischen) Kommunikationsstrategien der kaiserlichen Gesandten im Umgang mit den Eliten des russischen Hofs und deren Wirkung auf die unterschiedlichen Gruppen politischer Beobachter untersucht. Dafür dienen nicht nur  die kaiserlichen Gesandtschaftsberichte sowie Vergleichsdarstellungen anderer Diplomaten, sondern auch die zeitgenössischen Presseberichte als Quellen, um ein heterogenes Bild von der Herrscherrepräsentation am fremden Hof sowohl aus Sicht der international zusammengesetzten, elitären höfischen Gesellschaft, als auch vom Standpunkt einer breiteren Öffentlichkeit rekonstruieren zu können.

Durch die Untersuchung dieser unterschiedlichen, die kaiserlichen Gesandten umspannenden kommunikativen Netzwerke soll letztendlich ein Beitrag zur Annäherung an eine im Zentrum des Graduiertenkollegs stehende Forschungsfrage geleistet werden: die Wirkung von politischer Kommunikation als Erfolg oder Misserfolg auf die Rezipienten.

Publikationen:

  • Kaiser Karl VI. und sein Neffe, der Großfürst. Repräsentation, Interaktion und Kommunikation kaiserlicher Gesandter im Konflikt um die Thronfolge von Zar Peter II, in: Gunda Barth-Scalmani, Harriet Rudolph, Christian Steppan (Hgg.), Politische Kommunikation zwischen Imperien. Der diplomatische Aktionsraum Südost- und Osteuropa (Innsbrucker Historische Schriften, Band 29), Innsbruck-Wien-Bozen 2013, S. 125-144.

  • Kaiserliche Gesandte und ihre Annäherungspolitik durch die Kraft der Gesten. Der symbolische Startschuss zum österreichisch-russischen Bündnis von 1726, Gunda BARTH-SCALMANI, Joachim BÜRGSCHWENTNER, Matthias KÖNIG, Christian STEPPAN (Hgg.), Forschungswerkstatt: Die Habsburgermonarchie im 18. Jahrhundert (Jahrbücher der Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts, Band 26), Bochum 2012, S. 27-41.

  • Simvoličeskaja politika v epoche oživlenija avstro-russkich otnošenij. Imperatorskij posol Franz Karl Graf Vratislav v Rossii 1728-1733 [Symbolische Politik im Zeitalter der Belebung österreichisch-russischer Beziehungen. Der kaiserliche Gesandte Franz Carl Graf Wratislaw in Russland 1728-1733], in: E.S. UZENEVA (Hg.), Slavjanskij mir v tret’em tysjačeletii. Slavjanskie narody: vektory vzaimodejstvija v Central’noj, Vostočnoj i Jugo-Vostočnoj Evrope [Die slawische Welt im dritten Jahrtausend. Die slawischen Ethnien als Vektoren des Zusammenwirkens in Zentral-, Ost- und Süd-Ost-Europa], Moskau 2010, S. 130-139.

Erstbetreuer:

Prof. Dr. Gunda Barth-Scalmani (Innsbruck)

Zweitbetreuer:

Prof. Dr. Angela De Benedictis (Bologna)

Derzeitige Tätigkeit:

Lehrender für Deutsch als Fremdsprache an einem Sprachinstitut in Moskau.

Kontakt

Christian Steppan
christian.steppan@ias-he.com