Cecilia Gelatti

Die politische Kommunikation zwischen Universität, Staat und Kirche: Der deutsche Fall vom Ende des 17. Jahrhunderts bis Anfang des 18. Jahrhunderts

Das Ziel der Forschung liegt in der Untersuchung dessen, wie sich die Befugnisse hinsichtlich der Definition des staatlichen Bezugswissens im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts geändert haben. Der immer komplizierter werdende Balanceakt zwischen den Bedürfnissen des Reichs und den Territorialstaaten einerseits und den Ansprüchen der bekennenden Kirchen - nun unfähig, der Politik normative Prinzipien zu bieten und aufzuerlegen - gegenüber der Verwaltung des corpus christianum andererseits bringt die Staaten dazu, die Aufmerksamkeit auf andere Bereiche des geistigen und intellektuellen Lebens zu lenken und daraufhin die eigene Haltung gegenüber begrifflichen und sprachlichen Systemen, die die alten Autoritäten (und die alten auctoritas) ersetzen können, zu modifizieren, so dass sie zu einer neuen Normquelle werden. Die Universität Halle (1694) erweist sich dank ihrer Fähigkeit, den Bedürfnissen der Hohenzollernpolitik zu entsprechen und dazu beizutragen, ihre Orientierung sowohl theoretisch als auch praktisch zu bestimmen, als geeigneter, alternativer Bezugspunkt für die Staatsinstitutionen. Ein solcher Verlauf, in dem sich eine neue und direkte Bindung mit der staatlichen Autorität etabliert, ist tatsächlich weder als einfach noch als sofortig zu charakterisieren. Die spezifische Perspektive, von der die Forschung dezidiert ausgeht, ist die Betrachtung der Universität als Spannungsfeld, denn es bildet sich am Ende des 17. Jahrhunderts innerhalb des deutschen akademischen Korps eine Gegenüberstellung zwischen zwei Denkrichtungen hinsichtlich des Verhältnisses zur Herrschaftsautorität. Um die Neubestimmung der wechselseitigen Einfluss- und Zuständigkeitsbereiche zwischen Territorialstaat und Territorialkirche, also die theoretische "Konstruktion" neuer Legitimationsgrundlagen der Politik, zu erfassen, muss die Untersuchung von einigen Dissertationen ausgehen, die das Verhältnis zwischen Schuld und Nicht-Konformismus betreffen und an welcher Christian Thomasius und seine Schüler von 1694 bis 1698 arbeiteten. Als besonders bedeutsame Beispiele und Forschungsbereiche haben sich die unterschiedlichen Positionen innerhalb der Universitätswelt über die adiaphora oder der juristische Status des theoretischen Dissens auf dem Glaubensgebiet herausgestellt. Die Forschung möchte bei der Komplexität jener Verhältnisse verweilen, die sich zwischen dem preußischen Staatsapparat und den Debatten bilden, die sich seinerseits sowohl zwischen Juristen und Theologen als auch innerhalb der jeweiligen akademischen Eliten abspielen. Neben der Vertiefung des Kräfteverhältnisses, hauptsächlich politischer Natur, zwischen Institutionen - und zwischen Denksystemen, die erst jetzt auf solch explizite Art und Weise um die Rolle des bevorzugten Gesprächspartners der politischen Autorität streiten - soll die Vertiefung der Entwicklung theoretischer Argumentationen erfolgen, zu deren Urheber und /oder Sprecher sich die akademische Literatur macht. In der Anfangsphase der Arbeit werden zuerst die Bereiche festgelegt, in denen die Figuren des kommunikativen "Netzes" handeln und interagieren - und dies nur teilweise in konfliktgeladener Form - als Aspekte verschiedener Reformversuche, die am Ende des 17. Jahrhunderts im Werden sind und sich in der - und durch die - Gegenüberstellung politischer, religiöser und juridischer Kräfte definieren. Die Auswahl ermöglicht jedoch einer hoch kodifizierten Gattung (wie jene, die innerhalb des Universitätssystems produziert wird) als Hauptquelle nur einige unter den zahlreichen Ebenen, auf denen die Interaktion zwischen Staat, Universität und Kirche stattfindet, zu untersuchen. Des Weiteren kann die Arbeit von der Problematisierung bestimmter Fragen, die den betrachteten Fall unmittelbar betreffen, nicht absehen: Wie lässt sich das Verhältnis von Thomasius zum Hallenser Pietismus sowohl in der "Mittäterschaftsphase" unmittelbar vor der offiziellen Gründung der Universität als auch in der darauf folgenden gegenseitigen Entfernung beschreiben und erklären? Zu welchen Schlussfolgerungen gelangt die Analyse der untersuchten juridischen Dissertationen über die historiographischen Rekonstruktionen, die in Bezug auf und seit Halle von einer akademischen Institution "im Dienste" des territorialen Staats sprechen? Die Außergewöhnlichkeit des Hallenser Falls könnte der Forschung, gemessen am breiteren deutschen Kontext, den Vergleich mit corpora akademischer Dissertationen erschließen, die aus verschiedenen geographischen und institutionellen Gebieten stammen und von der Besonderheit der Entwicklung der politischen Kommunikation genau in dieser geschichtlichen Phase.

Erstbetreuer:

Prof. Dr. Angela De Benedictis (Bologna)

Zweitbetreuer:

Prof. Dr. Luise Schorn-Schütte (Frankfurt/Main)

Derzeitige Tätigkeit:

Angestellte bei der Einsatzstelle von „Unisalute“ in Bologna.

Kontakt

Cecilia Gelatti
g.cecilia@libero.it