Dr. Barbara Lubich

Verkörperung und Vergangenheit. Tanz in der DDR

Zwei Aspekte können als spezifisch für die Moderne angesehen werden, einerseits das Phänomen der „Avantgarde“, andererseits das Interesse für die Grundlage von Gemeinschaft, für das, was ein Kollektiv zusammenhält. Das sich konstituierende Spannungsfeld zwischen diesen Aspekten, die idealtypisch als Pole betrachtet werden können, gilt hier als Bezugspunkt für die Betrachtung der kulturellen Landschaft der DDR. Die Begründung für eine solche analytische Annahme liegt in dem Umgang mit der Vergangenheit, den man mit den jeweiligen Aspekten assoziiert; die Avantgarde scheint mit der Vergangenheit brechen zu wollen, neue Wege in die Zukunft öffnen zu wollen, die Frage nach den Grundlangen von Gemeinschaft scheint hingegen einen geschärften Blick für die Kontinuität zwischen Vergangenheit und Gegenwart vorauszusetzen. Tatsächlich ist die Koexistenz beider Aspekte eine Eigenschaft zahlreicher kultureller Phänomene der Moderne. Der Tanz wird hier als Verkörperung solcher Auseinandersetzungen verstanden - in seiner institutionellen Verortung, in der Austragung einer bestimmten Bewegungskultur. Nach einem einführenden Kapitel, in dem diesbezügliche Tendenzen beispielhaft entlang der Kulturgeschichte der DDR geschildert werden, nämlich vor allem in Sachen Tanz, Musik und Theater, soll an zweiter Stelle geschildert werden, wie sich diese Auseinandersetzung in den Gründungsmythen und Legitimationsstrategien ausgewählter Institutionen niedergeschlagen hat. Diese entstanden nach 1961; somit liegt der zeitliche Schwerpunkt auf der Entwicklungen von den 60er Jahren bis zum Ende der DDR.

Ein weiteres leitendes Erkenntnisinteresse ist das Phänomen der Politisierung und Entpolitisierung kultureller Praktiken. Unter Politisierung verstehe ich nicht etwa die Eingliederung von Disziplinen bzw. Praktiken und Räumen des kulturellen Lebens in das politische System durch die oberen politischen Instanzen: diesen Prozess bezeichne ich im Gegenteil als Entpolitisierung. Die Vorgabe, dass die Künste „politisch“ engagiert sein mussten, bedeutete, dass zumindest oberflächlich die Künste und der Kanon inhaltlich harmonieren mussten, d.h. sich entpolitisierten. Somit ist auch die Legitimation der Praktiken durch eine entsprechende Geschichtsschreibung eine Form der Entpolitisierung; nichtsdestotrotz handelt es sich hier um politische Kommunikation, denn politisch ist diejenige Kommunikation, die zur Definition der Koordinaten des Handlungsraumes des Politischen oder der geltenden Bedeutungsmuster, besonders - aber nicht ausschließlich - der vorherrschenden, beiträgt.

Politisiert sind im Gegenteil solche Praktiken, in denen ein Bezug auf Fragen der Politik durch die Akteure wahrgenommen werdenkann; hier formuliert sich eine Konkurrenz zur herrschenden Ordnung, ob dies nun der Absicht der Akteure entsprach oder nicht. Aus dieser Perspektive werden in der Promotionsarbeit Fallbeispiele vorgestellt, welche die Entwicklung der individuellen Praxis einzelner Tänzer veranschaulichen.

Erstbetreuer:

Prof. Dr. Marie-Luise (Frankfurt/Main)

Zweitbetreuer:

Prof. Dr. Gustavo Corni (Trient)

Derzeitige Tätigkeit:

Freischaffende wissenschaftliche Mitarbeiterin im Deutschen Hygiene-Museum zu Dresden.

Kontakt

Dr. Barbara Lubich
blubich@yahoo.com