Die Rheinökonomie

A Transnational Approach and Research Network

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Auch in der Wirtschaftsgeschichte werden regionalwirtschaftliche Verflechtungen über die Grenzen des Nationalstaates vielfach negiert; auch hier dominiert weiterhin die nationale Perspektive. Es fehlt vielfach an konkreten Untersuchungen von Wirtschaftsräumen und deren Verflechtungen jenseits der Ebene der Nationalstaaten sowie über die eigentliche Industrialisierungsphase hinaus. Dabei sind die wirtschaftlichen Verflechtungen dieser Wirtschaftsregionen und Großräume vielfach erheblich älter als nationalstaatliche Binnenmärkte und die traditionellen Wirtschaftsverflechtungen bilden geradezu eine ökonomische Pfadabhängigkeit bis in unsere heutige, globale Wirtschaftswelt.

Letzteres lässt sich insbesondere für die Wirtschaftsbeziehungen für den Wirtschaftsraum des Rheines zwischen Rotterdam und Basel konstatieren, die bereits seit dem Mittelalter existieren. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts verstärkten sich diese Handelsbeziehungen und es entwickelte sich eine symbiotische Raumökonomie, bei dem die Regionen im Hinterland Rohstoffe (Kohle, Holz etc.) sowie gewerbliche Halb- und Fertigwaren (Eisen, Textilien) in die Niederlande exportierten bzw. über die dortigen Häfen die Weltmärkte belieferten. Im Gegenzug flossen die neuartigen Kolonialwaren, auswärtige Rohstoffe (Baumwolle etc.) und landwirtschaftliche Güter aus und über Holland in die westdeutschen, Schweizer und elsässischen Regionen hinein. Dieses Strukturmuster und die regionale Arbeitsteilung verstärkten sich mit dem Aufkommen der Industrialisierung im 19. Jahrhundert und hielten faktisch bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg an. Der wirtschaftliche Strukturwandel seit den 1960er Jahren, d.h. das Lösen der westdeutschen Wirtschaft von Kohle und Eisen, bedeutete aber nicht den Niedergang der Handelsbeziehungen, sondern nur eine Verschiebung der Strukturen. Weniger Kohle, Eisen und Kolonialwaren, denn bundesrepublikanische Ölimporte, niederländisches Gemüse und Blumen oder aber Konsumgüter aus Übersee strömen weiterhin über die Niederlande ins Hinterland, während das niederländische Königreich vor allem Erzeugnisse des Maschinenbaus, Autos oder Chemikalien abnimmt. Es zeigt sich auch heute noch eine ungebrochene Bedeutung dieser regionalen Wirtschaftsverflechtung in Zeiten der Globalisierung. Deutlich zeigt sich dabei, dass der Rhein seine Funktion als Verkehrsmittel und wirtschaftsraumgestaltende Kraft bis nach Südwestdeutschland, Belgien, dem Elsass und die Nordschweiz ausgedehnt hat. Er stellt daher mittlerweile nicht nur den kommerziell am stärksten genutzten Wasserweg Europas mit einer Schiffbarkeit von Rotterdam bis Basel dar.

Die wirtschaftsgeschichtliche Untersuchung dieser Verflechtungen ist bisher nur unzureichend erfolgt und wenn, dann zumeist nur auf nationaler Ebene. Ebenfalls vernachlässigt wurde bisher die Einbeziehung der Unternehmensebene. Die unternehmensgeschichtlichen Analysen dienen dabei vor allem dazu, die Rolle der Unternehmen als handelnde Akteure – Akteure, die den Strukturwandel vorantreiben und die Wirtschaftsbeziehungen im Einzelnen gestalten ‑ in den Blick zu nehmen. Die Berücksichtigung der Unternehmen erlaubt zudem, auch wenig offensichtliche Wirtschaftsverflechtungen jenseits von nationalstaatlichen Statistiken und Makrogrößen offen zu legen, sondern gleichzeitig durch die Verknüpfung von Makro, Meso- und Mikroebene die lokalen und regionalen Standortbedingungen und Faktormärkte sowie die Fern- und Weltmärkten herauszuarbeiten. So kann man konkret die Entscheidungen sowie Entscheidungsträger in die Analyse mit einbeziehen und den wirtschaftlichen Wandel und seine Ursachen integrativ mit interdisziplinären Methoden analysieren. Schließlich lassen sich die ökonomischen Wertschöpfungsketten auch am besten auf der Mikroebene der Unternehmen kausal erklären bzw. die Schwierigkeiten der Handelsverbindungen in einzelnen Phasen deutlich machen.

Betrieben wird das Projekt mittlerweile seit acht Jahren in einer Zusammenarbeit zwischen dem Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Historischen Seminars der Goethe-Universität mit der Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Erasmus Universität Rotterdam. Bisher wurden bereits sechs internationale Konferenzen seit 2009 organisiert, die erfolgreich vor allem zur Schaffung eines internationalen Forschungsverbundes und wissenschaftlichen Netzwerks dient. Geplant sind im Moment weitere Konferenzen und ein größeres Forschungsprojekt zum Thema der River Econmies, in der die Rheinökonomie u.a. auch mit anderen Flussökonomien (Donau, Yangtse, Mississippi etc.) verglichen werden soll.