Bischofswahlen in der griechisch-orthodoxen Kirche in ehemals byzantinischen Gebieten in spätbyzantinischer Zeit

Im Fall des byzantinistischen Projekts ergibt sich diese Krise aus der Eroberung weiter Teile des byzantinischen Reichsgebiets, die erhebliche Auswirkungen auf die Struktur und Organisation der orthodoxen Kirche in den betroffenen Gebieten hatte. So wurde der direkte Einfluss des Kaisers sowie des Patriarchen von Konstantinopel auf die Besetzung von Ämtern in diesen Gebieten stark geschmälert. Stattdessen mussten sich die Kirchen in den Wahlprozessen mit den neuen lokalen Herrschern auseinandersetzen, was in manchen Fällen sogar zur Exilierung der kirchlichen Würdenträger aus ihrer Heimatregion und damit auch des Wahlprozesses an sich nach Konstantinopel führte.

Im Laufe seiner Geschichte haben sich die Grenzen des Byzantinischen Reiches immer wieder verschoben, so dass von einem einheitlichen Reichsgebiet kaum die Rede sein kann. Selbst Griechenland und Konstantinopel waren zu verschiedenen Zeiten vorübergehend unter fremder Herrschaft, ohne dass dies gleichbedeutend mit dem Ende des Reiches gewesen wäre. Andere ursprünglich zentrale Gebiete wie Ägypten und Syrien und damit die Patriarchate Jerusalem, Antiochia und Alexandria gehörten schon seit dem siebten Jahrhundert nicht mehr zu Byzanz. Vom Ende des elften Jahrhunderts an eroberten türkische Stämme den größten Teil Kleinasiens, eines der Kerngebiete des Reiches, und mit der Eroberung Konstantinopels durch die Teilnehmer des Vierten Kreuzzugs im Jahre 1204 begann die Übernahme weiter Teile des Reiches durch die Lateiner. Zypern war schon im Jahre 1191 von Richard Löwenherz erobert worden. Mit der Etablierung des Königshauses Lusignan befand sich die Insel lange Zeit fest in fränkischer Hand. Der Aufstieg der Osmanen und ihre weitreichenden Eroberungen im 14. und 15. Jahrhundert führten schließlich zum Untergang von Byzanz.

Die ständige Verschiebung der Grenzen ging zwar nicht folgenlos an der griechisch-orthodoxen Kirche vorbei, ihre grundsätzlichen Strukturen blieben jedoch auch nach der Errichtung nicht-orthodoxer Herrschaften auf ehemaligem Reichsgebiet bestehen. Zumindest für die griechisch-orthodoxe Bevölkerung in diesen Gebieten dürfte die Bedeutung der Kirche sogar gestiegen sein, fungierte sie doch nun als zentraler Identifikationspunkt, wobei auch wichtige weltliche Aufgaben von der Kirchen übernommen wurden; etwa in der Vertretung der Gemeinschaft gegenüber den neuen Herren oder im Bereich der internen Gerichtsbarkeit. Besonders die Bischöfe hatten somit als oberste Richter und geistliche Seelsorger in ihrer Diözese eine bedeutende Position inne. Deshalb war es für die Gemeinden vor Ort von hoher Relevanz, wer für ein solches Amt gewählt wurde und wie die Wahlen vor sich gingen.

Ziel des Unterprojekts ist es, die Auswahlverfahren für kirchliche Ämter im spät- und nachbyzantinischen Raum zu erfassen und im Interesse eines Vergleichs auf eine abstrahierende Ebene zu überführen. Blieb es bei der vorgeschriebenen Wahlpraxis der orthodoxen Kirche? Welche Fähigkeiten und Eigenschaften der Kandidaten waren entscheidend und unterschieden sich diese von den Faktoren, die bis dahin eine Rolle gespielt hatten? Welche Einstellung hatten die neuen Herrscher der eroberten Gebiete zu solchen Wahlen, wie arrangierte man sich mit ihnen, wurden sie mit einbezogen? Bestand eine Diskrepanz zwischen den althergebrachten Legitimationserwartungen und der Praxis der Wahlen?

In seiner regionalen Ausdehnung soll sich das Projekt auf verschiedene ehemals byzantinische Gebiete erstrecken, um so einen Vergleich zu ermöglichen. Zu nennen wären hier:

  1.  die autokephale Kirche Zyperns; Kleinasien, dessen Gebiete zum größten Teil zum Patriarchat von Konstantinopel sowie zu einem 
       kleineren zum Patriarchat von Antiochia (Kilikien und im Bereich des nördlichen Mesopotamien) gehörten;

  2.  das Erzbistum Ohrid auf dem Balkan;

  3. die orientalischen Patriarchate von Jerusalem, Alexandria und Antiochia.

Der Schwerpunkt des Betrachtungszeitraums liegt dabei auf der spätbyzantinischen Zeit vom Beginn des 13. Jahrhunderts bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, stellt doch die vorübergehende Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer 1204 ohne Frage einen tiefen Einschnitt in der Geschichte von Byzanz dar, während es andererseits interessant ist zu fragen, ob das endgültige Ende des Byzantinischen Reiches 1453 für die schon vorher unter fremder Herrschaft stehenden orthodoxen Kirchen unmittelbar wesentliche Veränderungen mit sich brachte. Als Ergänzung soll in einem Einzelfall, dem Erzbistum Ohrid, auch das 17./18. Jahrhundert berücksichtigt werden, da es hier die besonders gute Quellenlage ermöglicht, den Vergleich auf die weitere nachbyzantinische Zeit auszudehnen. Im selben Sinne ist die Einbeziehung der orientalischen Patriarchate Alexandria und Jerusalem sowie der syrischen Teile des Patriarchats von Antiochia als Ergänzung zu verstehen, wobei keine umfassende Untersuchung dieser Patriarchate erfolgen soll, da dies den Rahmen dieses Projektes sprengen würde. Stattdessen sollen nur einige ausgewählte Fallbeispiele zu Vergleichszwecken herangezogen werden.

Kontakt

Anna Kladova

Johannes Gutenberg - Universität Mainz

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