Die Untersuchung kleinerer Bischofssitze

Die Untersuchung kleinerer Bischofssitze

Hier sollen die nur sporadisch bezeugten Wahlen an „kleinen“ Bischofssitzen in den Diözesen der oben genannten Bistümer untersucht werden.

Im Falle Justinians erlaubt es die günstige Quellenlage, sowohl einschlägige Bestimmungen als auch das Handeln führender Akteure, nicht zuletzt des Kaisers, zu erfassen. Da Justinian erkennbar bestrebt war, das Verfahren zur Wahl von Bischöfen zu regulieren, sich aber über die von ihm selbst festgelegten Verfahrensweisen selbst gerne hinwegsetzte, bietet er ein besonders geeignetes Beispiel für eine entsprechende Untersuchung. Bei seinen Nachfolgern verändert sich die Quellenlage, doch lassen sich viele Vorgänge nach wie vor gut fassen, so dass sich auch hier das Verhältnis von Prozeduralität und Legitimationserwartungen wie auch die Frage der lokalen Unterschiede gut erörtern lassen.

Die Bearbeitung der einzelnen Bischofssitze soll auf der mikrohistorischen Behandlung einzelner Wahlen beruhen, bei der soweit möglich Verfahrensweisen und Praktiken sichtbar werden. Insbesondere soll, da hier der höchste Forschungsbedarf besteht, nach der Semantik der Personalentscheidungen gefragt werden. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist dabei, in welchem Verhältnis die christlichen zu traditionalistischen Semantiken standen. Sie interagierten ohnehin, doch stellen sich bei Bischofswahlen, bei denen es um das Zentrum der christlichen Gemeinde ging, spezielle Fragen. Denn für die Auswahl der Bischöfe blieb eine christliche Rechtfertigung unabdingbar. So waren in den neutestamentlichen Briefen Erwartungen an kirchliche Würdenträger formuliert worden (namentlich 1. Tim. 3,1-7; vgl. Tit. 1,5-9), die vor allem auf die Integrität eines guten Hausvaters setzten, die aber über Jahrhunderte  als  Messlatte bei Bischofswahlen in Anspruch genommen wurden. Gleichwohl ist zu fragen, inwieweit mit dem Funktionswandel und gesamtgesellschaftlichen Bedeutungszuwachs des Amtes auch andere Rechtfertigungen an Bedeutung gewannen, die sich in der Semantik niederschlugen, unabhängig von den der Wahl zugrundeliegenden Motiven.

Nach einer ersten Durchsicht des Materials fällt auf, dass die meisten Bischofswahlen unter zweierlei Aspekten diskutiert wurden, unter dem der persönlichen Ungeeignetheit des Kandidaten (die sich auch aus der konfessionellen Orientierung ergeben konnte) und dem der prozeduralen Mängel, dem in der Forschung oft weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird. Hier soll daher der Schwerpunkt des Projektes liegen, auch wenn stets im Blick bleiben muss, dass die Prozeduren dann suspendiert werden konnten, wenn für die Akteure der göttliche Willen evident (gemacht) wurde, etwa in der Heiligkeit eines Kandidaten.

Die Bischofswahlen der justinianischen Zeit erhalten nicht zuletzt dadurch Brisanz, dass mit der sogenannten Jakobitischen Kirche eine neue Kirche entsteht, für die eine ganz eigene Reihe von zu einem erheblichen Teil syrischen Quellen vorliegt: Dabei fällt auf, dass man gerade in der neuen Kirche, die in ihrer Selbstdarstellung oft den hohen spirituellen Rang ihrer Mitglieder rühmt, großen Wert auf prozedurale Fragen legt – obgleich man erwarten könnte, dass in dieser Welt von Verfolgungen das persönliche Charisma der Opfer eine größere Rolle gespielt hätte. Es stellt sich besonders die Frage, ob hier prozedurale Alternativen zur kaiserlichen Kirche gefunden wurden.

An jedem Beispiel sollen, soweit es die Quellenlage hergibt, alle drei Ebenen betrachtet werden: Lässt sich die Praxis rekonstruieren? Werden Verfahrensprobleme und auch Konsense über Verfahrensweisen sichtbar? Vor allem: Welche Legitimationserwartungen und Rechtfertigungen, welche Semantiken  bestehen?

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