Bernhard Jussen:

Regnum - Sprachliche Gradmesser mittelalterlicher Staatlichkeit

Das Projekt ist eine semantische Studie zu den Termini regnum, imperium und ecclesia als zentrale Vokabeln der Beschreibung mittelalterlicher Herrschaftszusammenhänge. Die mit den Termini ausgedrückten Konzepte sollen im Verlauf der Projektarbeit in ausgewählten narrativen Texten und Rechtstexten des 11. bis 14. Jahrhunderts daraufhin untersucht werden, ob und in der Beschreibung welcher Verhältnisse regnum bzw. imperium als Teil der ecclesia beschrieben bzw. als von der ecclesia losgelöst entworfen werden. Der Untersuchung liegt dabei die These der Forschung zugrunde, dass sich durch und nach dem Investiturstreit das Verhältnis nicht nur von regnum und sacerdotium sondern auch von regnum bzw. imperium und ecclesia verändert habe, dass es zu einer beginnenden Trennung der geistlichen von der weltlichen Sphäre und zur Herausbildung einer säkularen politischen Theorie kam. Dabei sollen die Thesen von Ernst H. Kantorowicz, der von einer Verschiebung der Legitimationsgrundlage der Herrschaft von "christ-centred" zu "law-centred" ausgeht, mit in die Interpretation einbezogen werden. Lässt sich der unterstellte Einfluss der Rezeption des römischen Rechts auf die Herausbildung einer säkularen politischen Theorie auch semantisch feststellen?
Als ein erster Ausgangspunkt des Projekts können dabei die Ergebnisse der Magisterarbeit, die sich mit dem Gebrauch der Termini regnum, imperium und ecclesia in den beiden chronikalischen Werken Ottos von Freising beschäftigt hat, dienen. Insgesamt ist es Ziel des Projektes nachzuzeichnen, wie theoretisch begründete, von der Kirche als Gesamtzusammenhang losgelöste, politische Gesellschaftsmodelle sprachlich sedimentieren.