Aus dem UniReport Nr. 2/2024

Nachruf von Michael Maaser

Chronist der Goethe-Universität
Prof. Dr. Notker Hammerstein
* 3. Oktober 1930 † 13. März 2024

Am 13. März 2024 starb Notker Hammerstein im Alter von 93 Jahren in Bad Homburg. Mit ihm verliert die Goethe-Universität ihren Chronisten und die „res publica litteraria“ ihren international bekanntesten Kenner der europäischen Hochschulen und des Alten Reichs.

Hammerstein immatrikulierte sich im Wintersemester 1949/50 an der Frankfurter Universität, wechselte im Sommer 1952 nach München und kehrte anschließend wieder nach Frankfurt zurück. Seine Studienfächer waren Fächer Anglistik, Philosophie und Geschichte. Am hiesigen Historischen Seminar beschäftigte ihn Otto Vossler zunächst als wissenschaftliche Hilfskraft, dann als seinen Assistenten. Zuvor hatte die Philosophische Fakultät Hammerstein zum Dr. phil. promoviert. Der Titel seiner Dissertation lautete: „Deutschland und die Vereinigte Staaten von Amerika im Spiegel der führenden politischen Presse Deutschlands 1898–1906“. Das Buch erschien 1956. 

Mit seiner Habilitationsschrift über „Jus und Historie“, die er Ende 1967 vorlegte, leistete Hammerstein einen Beitrag zur Geschichte der Historiographie an den Universitäten des späten 17. und des 18. Jahrhunderts. Er hob darin die Rolle der frühneuzeitlichen Universitäten im Reich hervor und arbeitet den Einfluss der Reichspublizistik heraus. Seine Antrittsvorlesung am 12. Dezember 1968 trug den Titel „Das politische Denken Friedrich Carl von Mosers“. Die Rede erschien gedruckt in der „Historischen Zeitschrift“.

Nachdem Theodor W. Adorno als Geschäftsführender Direktor des Philosophischen Seminars zugestimmt hatte, ernannte ihn der Hessische Kultusminister im Januar 1969 zum Dozenten an der Philosophischen Fakultät. Wenig später, mit Urkunde vom 20. Juli 1971, folgte für Hammerstein die Professur auf Lebenszeit. Notker Hammerstein lehrte bis Ende des Wintersemesters 1995/96 das Fach Mittlere und Neuere Geschichte, erst an der Philosophischen Fakultät, dann am Fachbereich 8 und wirkte parallel intensiv in den Selbstverwaltungsorganen der Goethe-Universität mit. Ende der 1980er Jahre begann Hammerstein, die Altakten der Universität Frankfurt an einem zentralen Ort zusammenzuführen. Damit legte er den Grundstein für das Frankfurter Universitätsarchiv, dass 2001 vom Präsidium eine eigene Satzung erhielt und heute zu den wichtigsten Hochschularchiven der Bundesrepublik zählt. Trotz mehrerer Rufe an andere Universitäten blieb Hammerstein Frankfurt immer treu. Zum 75-jährigen Jubiläum seiner Universität erschien Band 1 der Geschichte der Goethe-Universität. Dabei handelt es sich um die erste, rein aus historischen Quellen geschöpfte Darstellung einer deutschen Universität in der Zeit des Nationalsozialismus. Zu dieser Zeit hatte keine andere deutsche Universität Vergleichbares vorzuweisen gehabt.

Zwei weitere Teile der Unigeschichte folgten 2012 und 2014. Hammerstein vollbrachte damit das Meisterstück, die Geschichte seiner Alma Mater souverän im Alleingang zu schreiben. Geschichten anderer Hochschulen erschienen oder erscheinen lediglich in Form von Sammelbänden. Noch mit anderen Publikationen schrieb Hammerstein Forschungsgeschichte. Zum Beispiel mit seinem Beitrag über die Musik an Fürstenhöfen, der zu einer Zeit,1986, entstand, als solche Grenzgänge zwischen Bildungs-, Kunst, Sozial- und Symbolgeschichte der Historikerzunft noch abwegig vorkamen. Hammerstein stand im intensiven internationalen wissenschaftlichen Austausch. Die europäische Rektorenkonferenz (CRE) berief ihn in das Komitee namhafter Wissenschaftler, welche die vierbändige „Geschichte der Universität in Europa“ verantworteten. Das Jahrbuch „History of Universities“ (Oxford University Press) gab Hammerstein mit heraus und das mehrbändige „Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte“ ist auch sein Werk. Drei Eigenschaften zeichneten Hammerstein aus: seinen „Witz“ (im Wortsinne des 18. Jahrhunderts), seine inspirierende, heitere, schöne Gelassenheit und sein Wohlwollen. Notker Hammerstein war nicht nur als Historiker und Gelehrter, sondern auch in seiner ganzen Lebensart ein Vorbild.

PD Dr. Michael Maaser,
Leiter des Universitätsarchivs