Isabella Consolati

Die Vermittlung des Raumes - die Verortung der Geschichte. Die deutschen geographischen Wissenschaften zwischen 1790 und 1830

Im Zeitabschnitt, den Reinhardt Koselleck als Sattelzeit definiert hat, als geschichtliche Schwelle zur staatlichen, gesellschaftlichen und ideologischen Moderne, findet in den Staatengebilden Deutschlands ein umfassender Wandel in der geographischen Wissenschaft statt. Während des 17. Jahrhunderts ist die Geographie noch Bestandteil der Kameralwissenschaften und ihre Funktion liegt in der Ausmessung und der Beschreibung des Staatsterritoriums und seiner Ressourcen, die dem Zweck einer Verbesserung der staatlichen Verwaltung folgen. Seit dem Ende des Jahrhunderts rückt die Frage nach dem Rang, der Funktion und dem Gegenstand der Geographie in den Mittelpunkt einer intensiven Debatte, an deren Ausgang die Transformation der geographischen Wissenschaften stehen wird. Indem die Geographie nun eine unabhängige Wissenschaft wird, die sich als Wissenschaft expliziten politischen Zielstellungen betont zu entziehen hat, wandelt sich ebenfalls ihr Gegenstand – nicht mehr der Staat, sondern die Welt als Ganzes – aber auch ihr Adressat – nicht mehr der Fürst, sondern die gesamte Menschheit.

Den Wandel in den geographischen Wissenschaften während dieses spezifischen historischen Wendepunkts zu untersuchen, bedeutet ebenfalls, sich mit dem Prozess der Neukonzipierung des Raums auseinanderzusetzen, und zwar unter Berücksichtigung des Zusammenhangs zwischen diesem Prozess und den Veränderungen, die in den gesellschaftlichen Strukturen sowie in den überkommenen politischen Institutionen zeitgleich zu beobachten sind. Es soll gezeigt werden, dass die Kontroversen über Wesen und Inhalt der geographischen Wissenschaften den politischen Erfordernissen des Zeitalters entsprechen – etwa die Neubestimmung des Blickwinkels auf die Legitimität politischer Macht und auf das politische Subjekt –, und daher weit mehr sind als bloße disziplinäre Debatten. Diese Kontroversen offenbaren einen Sinneswandel in der Erfassung des gesellschaftlichen Raums als Kategorie, die die gesellschaftlichen Schichten durchquert; einen Sinneswandel, der dazu neigt, die Räumlichkeit der Gesellschaft, des Handels, der Wissenschaft und der öffentlichen (bürgerlichen) Meinung als etwas scheinbar Horizontales zu konstruieren. Für das Anliegen einer Rekonstruktion des Prozesses der Erfindung, Hervorbringung und Mitteilung des Raums ist es erforderlich, die verschiedenen angesprochenen Dimensionen in ihrer Verflechtung zu analysieren und sich dabei auf die Beziehungen zwischen den folgenden Entwicklungen zu konzentrieren: Der wissenschaftlichen Debatte um den Status der Geographie als Wissenschaft, der philosophischen Neubestimmung der Konzeption des Raums, den Veränderungen in der universitären Ausbildung im Fach der Geographie, schließlich den politischen Debatten über das Wesen politischer Grenzen und über den Raum des nationalen und globalen Marktes.

Erstbetreuer:

Prof. Dr. Marica Milanesi (Pavia)

Zweitbetreuer:

Prof. Dr Brigitte Mazohl (Innsbruck)

Kontakt

Isabella Consolati
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