Giulia Cò

Bischöfe, Könige, Kaiser: Anastasius Bibliothekar zwischen Westen und Osten

Das vorliegende Projekt hat die Untersuchung der Korrespondenzen des Bibliothekars Anastasius zum Gegenstand, dessen Tätigkeiten in Rom zwischen den 60’er und 70’er Jahren des 9. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichten. Anastasius war Mitarbeiter von drei Päpsten, hatte Kontakte zu den Kaisern Ludwig II. und Karl dem Kahlen, verfügte über hervorragende Kenntnisse der griechischen Sprache und Kultur und trat als Vermittler auf, einerseits zwischen der fränkischen Welt und derjenigen des Papsttums, andererseits zwischen dem westlichen und östlichen Kaisertum.

In den Briefen des Anastasius, sowohl in jenen, die bei der Ausführung mehr oder weniger offizieller Aufträge entstehen, als auch in seinen unabhängig verfassten Briefen, variieren Ausdrucksweise, Semantik, Metaphern, Zitierweise und Stil je nach dem vorliegenden Adressaten. Zum Adressatenkreis des Anastasius zählen Ado von Vienne, Hinkmar von Reims, Karl der Kahle, Ludwig II. – Anastasius scheint mit Letzterem eine lange und intensive Zusammenarbeit zu verbinden – und schließlich Kaiser Basilius I. Die Briefe von Anastasius entstehen in außerordentlich heterogenen Kontexten, weil ihr Autor in die wichtigsten Streitfragen verstrickt war, die um die Mitte des 9. Jahrhunderts beherrschend waren: So die Auseinandersetzungen, die unter den fränkischen Bischöfen aufgekommen waren (vor allem um den Konflikt zwischen Hinkmar von Reims und seinem homonymen Nepoten, dem Bischof von Laon); dann die Beziehungen zwischen dem Papsttum und den Karolingern hinsichtlich der Abwicklung der die Einzelreiche betreffenden Angelegenheiten und in der Frage nach der Krönung (Salbung) des Kaisers; schließlich die Spannungen zwischen dem westlichen und dem östlichen Kaisertum, die beim Austarieren der Rollenverteilung zwischen den beiden Kaisern, aber auch rund um die politische Entwicklung in Süditalien aufkamen. Innerhalb der geschilderten Kontexte vermögen die Briefe Anastasius’ ein Licht auf das politische Denken und auf die Modalitäten der politischen Kommunikation eines päpstlichen und kaiserlichen Funktionärs zu werfen; einer Gestalt, die an der Ausgestaltung der schwierigen Beziehungen zwischen Päpsten und fränkischen Königen sowie zwischen westlichen und östlichen Kaisern beteiligt war, und zwar in einem empfindlichen Moment der Suche nach Ausgleich und nach möglichen Allianzen, der Missverständnisse und gegenseitigen Beschuldigungen.

Erstbetreuer:

Prof. Dr. Giuseppe Albertoni (Trient)

Zweitbetreuer:

Prof. Dr. Mark Mersiowsky (Innsbruck)

Kontakt

Giulia Cò
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