Mit der Plünderung und Beutenahme von Archiven und deren Transport durch ganz Europa kam es im Dreißigjährigen Krieg zur umfangreichsten räumlichen Verschiebung von Archivgut der Frühen Neuzeit. Das Projekt untersucht diese „Reise der Akten“ im Zusammenhang frühneuzeitlicher politischer Wissenskulturen, die sich im 17. Jahrhundert insgesamt im Umbruch befanden und – so die leitende Annahme des Projektes – in der europäischen Krise des Dreißigjährigen Krieges in besonderem Maße relevant wurden.
Warum wurden Archive überhaupt in einem so großen Ausmaß als Beute genommen und mit erheblichem Aufwand durch ganz Europa transportiert? Erste Befunde zeigen, dass die Kriegsparteien die Akten zur administrativen Bestandsaufnahme über die eroberten Gebiete verwendeten, ebenso als Rechtsdokumente zur Behauptung von Herrschaftsansprüchen, zur Beschaffung strategischer Informationen und zur symbolisch-repräsentativen Demonstration der Überlegenheit der Sieger. Mit der Veröffentlichung zentraler Dokumente in Flugschriften wurden die geraubten Archivalien schließlich auch zur Diffamierung der politischen Gegner eingesetzt, um deren (vermeintliches) Agieren gegen Kaiser und Reich offenzulegen. Hier kam den Originaldokumenten im allseitigen Klima des Misstrauens offenbar eine zentrale Funktion zur Stiftung von Glaubwürdigkeit zu.
Daneben gerieten zahlreiche geraubte Archivalien nach Plünderungen auch auf irreguläre Märkte und wurden so zu Handelsgütern: Aus ihren ursprünglichen Zusammenhängen gerissen wurden sie etwa zunächst um des bloßen Materialwertes an Papier und Siegelwachs willen geplündert, konnten aber erneut hohen symbolischen und antiquarischen Wert erhalten, wenn sie über Händler in ausländische Bibliotheken und Sammlungen gelangten.