Der "Niedergang Europas" und die europäische Integration

Europäische sowie außer-europäische Schwächediskurse seit den 1950er Jahren

Dr. Jenny Hestermann

Projektbeschreibung

Die formelhafte Beschreibung des „Niedergangs Europas“ stand an der Wiege der im Jahr 1957 gegründeten Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und blieb auch in den nachfolgenden Jahrzehnten eine entscheidende Referenz für Stichwortgeber aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Publizistik, wenn es darum ging, das neue supranationale Rechtsgebilde „Europäische Wirtschaftsgemeinschaft“ sowie seine Nachfolger zu legitimieren bzw. zu delegitimieren. Die Beteiligten an diesen Schwächediskursen sind auch gleichzeitig ihre Akteure: Europapolitiker, Angehörige der europäischen Gemeinschaftsbehörden sowie seit 1979 auch die Abgeordneten des Europaparlaments nahmen zu diesem Thema Stellung, wobei sie sich gleichzeitig einer wachsenden öffentlichen Beobachtung zivilgesellschaftlicher Vereinigungen sowie – seit den 1990er Jahren – ebenso der Kritik ihrer „anti-europäischen“ Gegner ausgesetzt sahen. Das Projekt hat zum Ziel, die europäischen Niedergangsszenarien systematisch zu untersuchen, fragt nach den treibenden Kräften dieser Debatten sowie deren Werthorizonten und politischen Affiliationen.

Der Fokus liegt mit Westdeutschland/Deutschland und Großbritannien auf zwei Ländern mit unterschiedlichen politischen Kulturen, deren Diskurse auf ihre politischen, ideologischen und intellektuellen Komponenten hin anhand ausgewählter Krisenmomente von 1957 bis heute untersucht werden. Zusätzlich bezieht das Projekt die Europadiskurse in Israel ein.

Sämtliche Teilnehmer an diesen Diskursen instrumentalisierten das Reden von Schwäche entweder zur Stärkung oder zur Einschränkung der Wirkungsmöglichkeiten des neuen Rechtsgebildes “Europäische Gemeinschaft“. Wie weit darüber Eskalationen in Gang kommen, verdeutlicht der Tatbestand, dass inzwischen selbst ein Auseinanderbrechen der Europäischen Union nicht mehr auszuschließen ist. Das Projekt versteht sich im Rahmen des SFB „Schwächediskurse und Ressourcenregime“ als ein Beitrag zur transnationalen europäischen Geschichte.