Teilprojekt 1

Teilprojekt 1

Das Teilprojekt untersucht am Beispiel der römischen Kurie der Frühen Neuzeit, wie sich die Modi der Personalentscheidung mit den Anforderungen an die Amtsträger funktional ausdifferenzierten und langfristig veränderten, ob diese Veränderungen als Prozesse der Formalisierung o.ä. zu beschreiben und evtl. auf Erfahrungen des Scheiterns zurückzuführen sind und in welchem Verhältnis die Modi und ihre Veränderungen zur Legitimation dieser Verfahren in Semantik und Zeremoniell stehen.
Dabei konzentriert sich das hier skizzierte Vorhaben in enger Kooperation und Abstimmung mit dem Papstwahlprojekt auf die kuriale Führungsschicht der zweiten und dritten Reihe. Methodisch kombiniert das Teilprojekt serielle Quellenanalysen, die auf Ausdifferenzierung, Formalisierung und den langfristigen Wandel der Modi abheben, mit qualitativ-hermeneutischen Detailstudien zu den semantischen und zeremoniellen Dimensionen der Personalentscheidung. Inhaltlich setzt das geplante Teilprojekt an drei Ebenen an. Zum einen soll anhand serieller Quellen das Verfahren der Personalentscheidung in seiner formalen Ausgestaltung und tatsächlichen Durchführung über einen längeren Zeitraum verfolgt werden. Die Leitfragen hierbei richten sich auf die Auswahl und Kombination der Modi, auf deren Ausdifferenzierung und Spezialisierung in der longue durée, aber auch auf die Formalisierung solcher Verfahren, die man als allgemeinen Trend der Frühen Neuzeit mit ihrer „Kultur des Fragebogens“ begreifen kann. Hierbei gilt es, Brüche und Modifikationen der Modi zu erfassen, den Ort klientelärer Argumente und Einflussnahmen im Verfahren zu bestimmen sowie die Erfahrung des Scheiterns der bisherigen Auswahl als Antrieb der Veränderung zu gewichten.
Damit verschränkt, wird zum zweiten eine fokussierte Analyse von beispielhaft ausgewählten Pontifikaten erlauben, neben der Herstellung der Entscheidungen auch ihre zeremonielle und semantische Darstellung auf der Bühne des Konsistoriums miteinzubeziehen und nach den römischen Legitimierungsstrategien zu befragen. Die Leitfragen hier zielen auf das Verhältnis der Entscheidungsmodi zur Repräsentation der Entscheidung sowie auf die Eigenheiten und Unterschiede der zeremoniellen Rahmung im Bereich der politischen bzw. kirchlichen Schlüsselpositionen. Inwieweit Zeremoniell wie Semantik die Ausdifferenzierung abbildeten oder aber zu überwölben suchten, wird hierbei zentral sein.
Für die kirchliche Seite soll die Auswahl der Bischöfe in den Blick genommen werden, die wenigstens in Italien der Kurie selbst oblag und in Form der Prozessunterlagen (Informativprozess zur Überprüfung der Eignung der Kandidaten, Definitivprozess zur endgültigen Auswahl und Anerkennung, Beilagen wie Zeugnisse, Urkunden, Glaubensbekenntnis, Amtseid etc.) ausführlich dokumentiert wurde (hinzu kommen bei einem Teil der italienischen Bischöfe die Unterlagen aus dem Bischofsexamen). Diese „Prozesse“ sind für Italien, aber auch für die Weltkirche insgesamt in hoher Zahl und Dichte überliefert, sodass hier eine serielle Quellenanalyse mit Fokus auf die Modi des Entscheidens und deren Veränderungen möglich ist. Da eine Hauptphase der Veränderung im Nachgang des Trienter Konzils zu vermuten ist, beginnt der Untersuchungszeitraum mit dem Einsetzen der Überlieferung der vom Konzil in eine neue Form gebrachten Prozesse; ausgreifen soll die Studie bis zum Ende der Frühen Neuzeit (d.h. ca. 1800). Der Zeitraum ist bewusst so weit gefasst: Zum einen zeigen sich nur in einer langfristigen Perspektive die gesuchten Verschiebungen in der longue durée, zum anderen sind die erheblichen Quellenmassen mittels Stichproben durchaus zu bewältigen. Untersucht werden ja nicht Einzelfälle, sondern die Grundzüge des Verfahrens.
Eine überaus dichte, ebenfalls serielle Überlieferung bietet auch die weltlich-politische Seite: Da die Verwaltungselite des Papsttums (Gouverneure vor Ort, Sekretäre und Experten der zentralen Behörden für die Staatsverwaltung, Richter) vorrangig aus der Gruppe der Referendare beider Rechte rekrutiert wurden, liegt es nahe, dieses Einstiegsamt in die Spitzenränge und hier vor allem das Aufnahmeverfahren in das Kollegium der Referendare näher in den Blick zu nehmen. Tatsächlich erfolgte die Ernennung zum Referendar ebenfalls nach einer ausführlichen und gut dokumentierten Prüfung, so dass sich auch hier eine serielle Analyse der Auswahlentscheidungen anbietet. Daher kann dieses UP ebenfalls die zeitliche Breite der reichen Überlieferung nutzen und die frühneuzeitliche Entwicklung vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts über Stichproben erschließen.
Auf einer zweiten Ebene der Untersuchung richtet sich der Blick auf die zentrale Bühne der römischen Personalpolitik. Da der Papst die wichtigsten Posten sowohl im kirchlichen Bereich als auch in Diplomatie und Staatsverwaltung im Konsistorium besetzte, sind Zeremoniell und Semantik der Ernennungen in den Konsistorialakten dokumentiert. Diese Akten dürften überdies weiteren Aufschluss über die Abstimmungs- und Auswahlprozesse im Vorfeld der Sitzungen geben. Die im Konsistorium vollzogenen Ernennungen ermöglichen daher auf einer zweiten Ebene einen vertieften Einblick in die römischen Personalentscheidungen, der die serielle Analyse grundlegender Verfahren in der longue durée um hermeneutisch präzise Detailstudien ergänzt.
Für diese Detailstudie muss der Untersuchungszeitraum eingeengt werden. Eine Konzentration auf ausgewählte Pontifikate liegt nahe (wegen ihrer einschlägigen Reformen kurialer Strukturen und Verfahren böten sich Sixtus V., Urban VIII. und Benedikt XIV. besonders an), sollte aber nicht vorab endgültig festgelegt werden. Ebenfalls erst in Kenntnis der Aktenlage sind inhaltliche Schwerpunkte zu setzen. Lohnen dürfte im Falle der Bischöfe ein Vergleich der Verfahren und Repräsentationen zwischen den Ernennungen der Kurie selbst und solchen Ernennungen, bei denen das Nominationsrecht jenseits der Kurie lag. Unbedingt zu erwägen ist, ausdrücklich die Auswahl und Einsetzung der Nuntien in den Blick zu nehmen, deren Ernennung im Konsistorium über die Hinweise der Editionen auf die Ausstellung der Ernennungsbreven und Fakultäten leicht zu datieren sein dürfte.

Kontakt