Dr. Monica Cioli

Deutschland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Berlin und München zwischen Nationalgalerien und “Secessionen”

Ziel des vorliegenden Projekts ist es, den Zusammenhang zwischen Kunst und Publikum als Phänomen der politischen Kommunikation in Deutschland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu vertiefen. In diesem Zusammenhang wird Kunst als spezifisches Element des traditionellen deutschen Phänomens der ‚Bildung' betrachtet, die sich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts mit der kulturgeschichtlichen Thematik der Nation verknüpft.

Über diese historischen Voraussetzungen - Bildung, Nation, Monarchie - hinaus, ist meine Hypothese, dass die öffentliche Organisation der Kunst eine besondere politische Rolle in der deutschen Verfassungsentwicklung spielt. "Nationale" Kunst war nämlich nicht nur ein Instrument des Monarchen, um seine eigenen politischen Ziele der Legitimation zu verwirklichen, sondern sie hatte auch per se eine konstitutionelle politische Funktion, weil sie eine wichtige Rolle für den Prozess der Nationsbildung und seine Trägerschichten gespielt hat. In diesem Zusammenhang werde ich den Begriff von Kulturmonarchie verwenden, um die "kulturellen" Züge der Zeit - neben den schon behandelten "sozialen" Aspekten der Monarchie - zu kennzeichnen: Innerhalb der Kultur war es die Kunst, die durch ihre "nationale" Organisation als vereinigendes Element einer sich verändenden, dynamischen und mehr und mehr engagierten "bürgerlichen" Gesellschaft gelten konnte.

Ich werde zwei Prozesse erforschen, die beide auch, in ihrer Verknüpfung, als typische Erscheinungsformen des "reifen" 19. Jahrhunderts in Deutschland gelten können:

  • Einerseits den Prozess der Institutionalisierung der Kunst in den Museen, also der Übergang von den privaten Sammlungen des Königs zum öffentlichen Besitz der Bürger (dem Deutschen Volk). Gegenüber einer politischen und kulturellen Dynamik der Gesellschaft, die als Folge der zweifachen Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts betrachtet werden kann, wird die Kunst nun selbst zum integrativen Element einer revolutionären Gesellschaft. Bevorzugte Objekte der Analyse werden die Berliner Nationalgalerie (1861) und die Pinakothek München (1853) sein.
  • Andererseits werde ich den parallelen Prozess der kritischen Auseinandersetzung mit der Institutionalisierung der Kunst analysieren. Auch hier handelt es sich um eine bedeutende Variante von politischer Kommunikation, stellten die Avantgarden doch eine Brücke zu einer weiteren Öffnung der Gesellschaft dar, die sich mit der Sozialen Frage in neuen Ansprüchen und Zielen ausdrückte. Ende des Jahrhunderts waren die Sezessionen in München, Dresden, Berlin und Wien ein erstes Resultat dieses künstlerischen Avantgardismus.


Der Untersuchungszeitraum, den das Projekt in den Blick nimmt, ist die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, von der Errichtung der Neuen Pinakothek und der Nationalgalerie, bis zur Blüte der Münchener und Berliner Sezessionen am Ende des Jahrhunderts.

Derzeitige Tätigkeit:

Postdoktorandin am DHI Rom.

Kontakt

Dr. Monica Cioli
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