Jörg van den Heuvel

Mythos Militarismus? Militärische Planung und der Primat der Politik in Deutschland und Frankreich am Vorabend des Ersten Weltkriegs

Das geplante Projekt will auf mehreren Ebenen der Frage nachgehen, ob Deutschland und Frankreich 1914 in den Krieg eintraten, weil die politischen Eliten beider Länder von der militärischen Führung dominiert wurden oder ob es sich hierbei um einen von der Politik autonom bestimmten Prozess handelte. Auch ein Zwischenweg wird nicht ausgeschlossen. Es fragt wie stark der Einfluss des Militärs in den Viten beider Staatsspitzen war und ob es auf diesem Wege zu einem "Persönlichkeitsmilitarismus" der Politik ohne direkte Einflussnahme der Generalität in den konkreten Handlungssituationen kam. Sodann wird untersucht werden, ob es sich beim Ausbruch des Krieges 1914 um ein aus Weichenstellungen der beteiligten Akteure während der Jahre 1911 bis 1914 zwangsläufig resultierendes Ergebnis handelte, oder ob die situationsspezifische Konstellation einen strukturell vermeidbaren - den Zeitgenossen unwahrscheinlich erscheinenden - Krieg ausbrechen ließ. Auch auf die in der Forschung anhaltende Diskussion um den Zeitgeist beider Völker sowie den Grad von deren Militarisierung wird einzugehen sein.

Es soll ein komparativer Ansatz gewählt werden dessen Anfang die verfassungsmäßigen Strukturen bilden. Unterschied sich die Machtverteilung des kaiserlichen Deutschland wirklich so stark von seinem westlichen Nachbarn wie die Staatsform dies vermuten lässt und die Historiographie es häufig konstatiert hat? Als weitere Ebene folgt eine Untersuchung des Sozialprestiges der Streitkräfte in Deutschland und Frankreich welche sich auf den Zeitgeist, finanzielle Durchsetzungsfähigkeiten und eine mögliche direkte Beeinflussung des Außenministeriums konzentriert. Ein wesentlicher Faktor im Zusammenspiel von Politik und Militär waren die akteurspezifischen Machtkonstellationen und Vorgehensweisen beider Seiten. Diese dritte personale Ebene wird neben dem Verhältnis der Personen untereinander innerhalb der sehr elitären Führungszirkel auch die Viten der Beteiligten untersuchen und die Frage danach stellen, wer wie und wo diente, welches Verhältnis zum Militär entwickelte sowie welche Familienmitglieder bei selbigem beschäftigt waren. Weiterhin ist die Politik beider Länder keineswegs ohne den tiefgreifenden Einfluss ihrer jeweiligen Bündnispartner zu verstehen. Dies gilt in nicht minderem Maße für die Presse, welche aus Sicht der Akteure an der Spitze des jeweiligen Staates untersucht werden soll um auf diesem Wege besser zu verstehen wie stark der "Pressepatriotismus" auf die Staatsmänner einwirkte und inwiefern diese in der Lage waren dem - oftmals auch persönlichen - Druck zu widerstehen. Alle diese Untersuchungen sollen zuletzt in eine ereignisgeschichtliche Untersuchungsebene einfließen deren Ziel es ist, den faktischen Lauf der Dinge und dessen Beeinflussungsfaktoren von der Agadirkrise bis zum Juli des Jahres 1914 nachzuvollziehen und in einem abschließenden Fazit zu würdigen. Unter Berücksichtigung alles Angeführten, behielt die Politik beim Kriegsausbruch 1914 das Heft des Handelns in der Hand oder war es ihr durch die Militärs, in erster Linie die Generalstabchefs beider Seiten, entrissen worden?

Erstbetreuer:

Prof. Dr. Andreas Fahrmeir (Frankfurt/Main)

Zweitbetreuer:

Prof. Dr. Gunda Barth-Scalmani (Innsbruck)

Die Disputation fand am 4. Juni 2014 in Frankfurt am Main statt

Derzeitige Tätigkeit:

Ab dem 1.10.2014: Studium des Master of Business Administration in Lyon

Kontakt

Jörg van den Heuvel
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